Volontariate und ihre Geschichte

Leider ist es aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr möglich, Volontären eine Mitarbeit in Brasilien zu ermöglichen. Drei von ihnen haben ihre Erlebnisse zusammengefasst.

Siehe auch Rundbrief 01 2022

Alles begann mit einem Diavortrag, den Liselotte Hedderich ca. 1976 – Von Michael Breil

in unserer Gemeinde Recklinghausen-Süd gezeigt hatte. Als ich die Bilder der armen Kolonistenfamilien sah und unter welchen Bedingungen
sie lebten und mit welch einfachen Mitteln sie arbeiteten, dachte ich, ich könnte vielleicht einen Beitrag dazu leisten mit den
Fähigkeiten, die ich mitbekommen habe, ihre Situation zu verbessern.
Da muss ich hin!
Irgendwann Mitte des Jahres 1978 bin ich dann nach Terra Nova gereist. Es war für mich sehr beeindruckend, die fremde Landschaft, die Wärme, die
fremden Gerüche und die Menschen kennenzulernen, deren Heimat das hier war.
Hier habe ich einen Kerzenleuchter für unsere Kapelle geschmiedet. Der Sommer 1978/79 war sehr trocken und wir hatten auf Terra Nova große Probleme mit der
Wasserversorgung. Das Wasserproblem hat mich Wochen und Monate beschäftigt. Es mussten Brunnen gesäubert werden und neue Wasserleitungen über einige 100 Meter
neu verlegt werden. Ich habe mit einem Nachbarn zusammen einen Wasserturm für den Schweinezuchtbetrieb gebaut und einen Staudamm, der das
Wasser für eine Wasserpumpe lieferte. Dabei habe ich fremde Arbeitstechniken kennengelernt.
Ich konnte auch einen kleinen Generator installieren, der uns stundenweise Strom lieferte für die Waschmaschine, das Schweißgerät oder abends
auch mal ganz komfortabel mit elektrischer Beleuchtung.
Neben kleineren Schmiedearbeiten habe ich auch zwei Trekkeranhänger aus Schrottteilen zusammengebaut.
Zu der Zeit wurde auch ein Gemeindehaus (Kapelle) in Mondai gebaut. Ich konnte die Elektroinstallation und die Beleuchtung dort machen. Abends war ich dann oft
bei Nachbarn zum Chimarrão trinken eingeladen.

Diese gewachsenen Beziehungen lebten wieder auf, als ich mit meiner Familie 1984 für 4 Jahre nach Terra Nova ging, um dort die Ausbildungswerkstatt zu leiten.
Das sind jetzt 43 bzw. 37 Jahre her und ich erinnere mich immer noch gerne an die Zeit.

Euer Michael Breil
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EUER GESCHENK AN MEIN LEBEN
von Kornelia Hofsommer

Die Anfrage von Martin Prescher, ein paar Zeilen für den Rundbrief zu schreiben, erreicht mich gerade jetzt, nachdem ich nach 40 Jahren
aus der pädagogischen und therapeutischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und ihren Eltern aus dem aktiven Berufsleben ausgestiegen bin.
Diese Zeit begann für mich in Mondai im Mädcheninternat.
Und so stöbere ich mit Freude im alten Tagebuch und in den Fotos von damals und spüre wieder die Fülle, die Liebe und den Reichtum
meines Aufenthaltes dort.
„Sonnenaufgang über dem Atlantik, unter mir Wald und Hügel, Frühstück über Brasilien, gute Landung in Rio, Sonne, Hitze auf der Treppe
hinab auf brasilianischen Boden. Welch ein Gefühl! Weiterflug nach Porto Alegre, mit dem Nachtbus nach Irai.“
So schrieb ich vor 39 Jahren in mein Tagebuch. Dann begann ein Jahr voll von Staunen und Überraschungen.
Als erstes staunte ich besonders über die Farben der Natur und über die unverwechselbare Art der Brasilianer. Sie fanden immer
ein „jeito oder jeitinho“, der jeden Moment doch noch zu einer glücklichen Wendung bringen konnte.
Ich staunte über ihr überwältigendes Vermögen, ihrem Gegenüber immer wieder ganz viel „apoio“ zu geben. Hier fällt mir kein so richtig
passendes deutsches Wort ein, sagen wir Unterstützung mit ganz viel Ermutigung. Soviel konnte ich entdecken und lernen, in dem Jahr,
in dem ich mit Ivone Hergenräder und Astride Waldow als Leiterin, mit ihrer Familie und den 15 Mädchen des Internates in Mondai
zusammenlebte. Unterbrochen war die Zeit von den Ferien und von manchen Wochenenden, an denen ich meist zur Farm von
Terra Nova lief und von Lilo und Familie Schüttel herzlich aufgenommen wurde oder auch noch mehr vom Land Brasilien
entdecken konnte.

Ich danke Euch Brasilianern für Euer Geschenk an mein Leben.
Ihre
Kornelia Hofsommer

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1986-1987 EIN JAHR TERRA NOVA
von Antje Orth

Mein Einsatz in Mondai liegt 35 Jahre zurück. Ein Jahr auf Terra Nova war eine Lebensschule.
Ein krasser Wechsel in eine für mich unbekannte Welt. Als Stadtkind begeisterten mich die Natur, die rote Erde und die Felder mit Getreide, Mais und
Zuckerrohr, der Hang mit Orangenbäumen und vielen anderen Zitrusfruchtarten, sowie der Schulgarten mit einer Vielfalt an Pflanzen, Blüten und Insekten.
Und der Wald, in dem riesige Bäume und gigantische Brennnesseln wuchsen.
Ich liebte die Stallungen, in denen die Kühe mit der Hand gemolken wurden und über dem am Abend das Kreuz des Südens aufging. (Das Kreuz des Südens ist ein
bekanntes Sternenbild am Südhimmel, Anm. d. Redaktion)

In der Lebensgemeinschaft fand ich meinen Platz und lernte immer wieder alles aus der Perspektive anders geprägter Menschen zu sehen. Mir sind die
Kinder, die in den Familien im Tal und am Antasfluss aufwuchsen, ans Herz gewachsen. Neben viel Arbeit und Routineabläufen erlebte ich einzigartige Abenteuer mit
anderen Kurzzeitlern und Jugendlichen.
Ich fand es spannend zu erleben, wie das Leben und Arbeiten auf der Farm nach ökologischen Über-legungen ausgerichtet wurde. In viel Kleinarbeit und mit Liebe zum
Detail lernte ich einen nachhaltigen Lebensstil kennen. Die Mitarbeiter waren konsequent und kreativ, sie probierten vieles aus und versuchten
immer Neues dazu zu lernen.
Für mich gab es viele Herausforderungen – und damit auch die Chance zu reifen.
Mich hat die geistliche Ausrichtung der Mitarbeiter fasziniert, ihr Einsatz für die Menschen, Tiere und Natur. Die Hingabe an Jesus und das Streben
nach sozialer Gerechtigkeit konnte ich sozusagen ein- und ausatmen.
Vieles war learning by doing – im praktischen Tun wie auch im stillbetenden Eintreten für Menschen in äußerster Not, die selbst nicht beten können.

Ich bin sehr dankbar für diese besondere Zeit in meinem Leben!
Es grüßt Sie
Ihre Antje Orth